Bandscheibenleiden

„Bandscheibe“, „Hexenschuss“ und „Ischias“

Zieht ein Schmerz ins Bein, wird dieser häufig mit dem „Ischias“ oder der „Bandscheibe“ in Verbindung gebracht. Die richtige Ursache für die vom Kreuz ins Bein ziehenden Schmerzen herauszufinden ist gar nicht so einfach, denn einige Blockaden können Bandscheibenbeschwerden imitieren. Arzt, Therapeut und Patient werden leicht auf eine falsche Fährte gelockt.

Architektur und Funktion der Wirbelsäule

Die Wirbelsäule ist eine flexible Verbindung aus insgesamt 24 freien Wirbeln, dem Kreuzbein und dem Steißbein. Zwischen den Wirbelkörpern sitzen 23 Bandscheiben, die durch ihren Aufbau aus einem äußeren, straffen Faserring und einem elastischen Gallertkern wie Stoßdämpfer wirken. In Ruhelage saugt der Kern Wasser auf, die Bandscheibe quillt, drückt die angrenzenden Wirbelkörper auseinander, der Bandapparat strafft sich. Hierdurch und durch die stützende Wirkung der Muskulatur entsteht beim Gesunden die hohe Stabilität der Wirbelsäule. Diese „hydraulische“ Streckung entlastet die Wirbelgelenke, über die die Wirbelkörper beweglich miteinander verbunden sind.

Wovon lebt die Bandscheibe?

Die Degeneration der Bandscheiben ist bedingt durch die natürlichen Abbauprozesse unseres Körpers. Meist beginnt sie schon im frühen Erwachsenenalter und schreitet, je nach Veranlagung, unterschiedlich rasch voran. Die Bandscheibe hat ab dem fünften Lebensjahr keine Blutgefäße und lebt vom ständigen Wechsel zwischen Be- und Entlastung, der für die Ernährung des Knorpelgewebes sorgt. Fehlt dieser dynamische Wechsel, ist der Abbau beschleunigt. Langes Sitzen oder Stehen, wenig sportliche Aktivität und körperliche Entlastung in Beruf und Freizeit, oft schon von Jugend an, sind Gift für die Wirbelsäule. Einseitige Belastung und Überlastung spielen in Ausnahmefällen (z.B. Krankenpflegeberufe) eine Rolle.

Von den Beschwerden zur Diagnose

Mit der Degeneration geht häufig eine Vorwölbung (Protrusion) oder ein Vorfall (Prolaps) von Bandscheibenmaterial in den Rückenmarkskanal einher. Durch Druck auf die aus dem Rückenmark austretende Nervenwurzel kann eine geschädigte Bandscheibe Schmerzen, Taubheitsgefühle, „Ameisenlaufen“ und Lähmungen hervorrufen.

Je nach Lokalisation des Bandscheibenvorfalls strahlen diese „echten“ Bandscheibenschmerzen immer einseitig in eine bestimmte Region aus. Der unterschiedlich starke Schmerz wird dabei als stechend oder bohrend empfunden. Während das Liegen mit angezogenen Beinen diesen häufig lindert, nimmt er nach dem Aufstehen oder beim Sitzen zu. Husten, Niesen und Pressen führen zu Druckerhöhungen im Leib, die ebenfalls Schmerzen auslösen können. Trügerisch sind Ausstrahlungen durch Blockade der Kreuz-Darmbein-Gelenke, da sie Bandscheibenbeschwerden täuschend ähnlich sein können.

Zur richtigen Diagnose kommt man durch genaue Befragung des Patienten, durch eine exakte körperliche Untersuchung und durch technische Untersuchungsbefunde. Obwohl die Kernspintomografie krankhafte Veränderungen der Bandscheiben mit faszinierender Deutlichkeit darstellt, darf man von ihr nicht die fertige Diagnose erwarten! Erst wenn die Schilderung der Beschwerden mit den technischen und körperlichen Untersuchungsbefunden zusammenpassen, ist die für die weitere Planung unentbehrliche korrekte Diagnose fertig gestellt. Selbst die sorgfältige ermittelte Diagnose bedarf noch der Bestätigung durch den Behandlungserfolg.

Bandscheibenvorfälle langfristig therapieren!

Die Behandlung beinhaltet zunächst eine druckentlastende Lagerung, gezielte Physiotherapie und Medikamente, um Dauerschäden der Nerven zu vermeiden und die Schmerzen schnell abklingen zu lassen. Das vorgefallene, teils ganz abgestoßene Material (Sequester), schrumpft langsam und gibt mit der Zeit den beengten Nerv wieder frei. Dieser Selbstheilungsvorgang lässt oft nach Wochen bis wenigen Monaten den Schmerz vollständig abklingen. Allein deshalb sind Bandscheibenoperationen möglichst zu vermeiden. Ist der eingeklemmte Nerv hingegen bedroht oder sind die Schmerzen nicht in den Griff zu bekommen, ist eine Operation dringend notwendig.

Verlief die erste Therapiephase erfolgreich, geht es dem Patienten zwar besser – doch ist der Weg bis zur vollständigen Heilung noch weit. Denn jeder Bandscheibenvorfall hinterlässt Folgeprobleme: Die zuvor stabile Verbindung aus Wirbel-Bandscheibe-Wirbel ist gelockert, der Abstand zwischen den benachbarten Wirbelkörpern ist vermindert, wodurch sich die Austrittslöcher für die Rückenmarksnerven verengen und Nervenirritationen entstehen können. Durch die Stauchung der Wirbelsäule werden die Wirbelgelenke ineinander geschoben und chronisch überlastet. Dies fördert die Degeneration (Arthrose) dieser kleinen Gelenke. In diesem Zusammenhang entstehen beinahe regelmäßig Blockaden der Wirbelgelenke und noch häufiger der Kreuz-Darmbein-Gelenke, welche das Kreuzbein mit den Beckenknochen verbinden. Von diesen oft übersehenen Blockaden wird im nächsten Beitrag die Rede sein.

Medizinische Kräftigungstherapie

Ist die akute Phase des Bandscheibenleidens überwunden kommt die Medizinische Kräftigungstherapie zum Einsatz. Seit den 1980-iger Jahren kennen wir die überragende Bedeutung der tiefen Rückenstreckmuskulatur für das Wohl oder Wehe der Wirbelsäule. Diese Muskelgruppe leistet den größten Beitrag für die Stabilisierung. Diese Muskeln haben bei Rückenkranken im Durchschnitt 50% weniger Kraft als bei Gesunden. Gleicht man das Defizit aus, gehen nicht nur die Schmerzen zurück. Die Belastbarkeit steigt und die Blockierungsneigung geht zurück. Das Training dieser Muskeln stellt hohe Anforderungen an die Qualität der Trainingsmaschinen: Durch Beckenfixierung werden sämtliche Hilfsmuskeln ausgeschaltet. Nur so gelingt es, die Stabilisatoren der Wirbelsäule effektiv zu kräftigen.

Schonung bedeutet Abbau von Körpersubstanz. Wirbelsäule und Gelenke verlieren Stabilität und Belastbarkeit. Rückzug von Aktivitäten in Beruf und Freizeit sind die Folgen. Die Kräftigung der Rumpfmuskulatur führt die Kranken zurück in ein lebenswertes Leben.

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